
Jian - Das chinesische Schwert - Konstruktion
Das "typische" Jian 劍 gibt es nicht, da Material und Fertigungstechnik der jeweiligen Epoche, sowie die Art der Verwendung einen wesentlichen Einfluß auf Form, Länge und Gewicht haben.
So unterscheiden sich z.B. in großer Zahl hergestellte militärische Schwerter von Einzelanfertigungen für Beamte und Adelige. Bei Schwertern für Kampfkünstler spielten auch die speziellen Schwerttechniken des jeweiligen Kampfkunststiles eine Rolle bei der Herstellung des Jian 劍. Allerdings waren Einzelanfertigungen sehr teuer und daher wohl eher selten.
Wird heutzutage in Kampfkunstkreisen von Jian 劍 gesprochen, sind meistens einhändig geführte Stahlschwerter aus den letzten Phasen der Ming - und der Qing - Dynastie (1644 - 1911 n. Chr.) gemeint.
Die folgenden Angaben stammen im Wesentlichen aus Publikationen von Yan Gaofei, Dr. Hermann Bohn und Scott M. Rodell (siehe Quellen).
Hochwertiges Wenshan Kampfschwert nach traditionellem Vorbild
aus der Frühlings- u. Herbst-Periode (770 - 476 v. Chr.),
bzw. der Zeit der Streitenden Reiche (481 - 229 v. Chr.)
© Bohn-Wu International Trading Co. http://nancl.myweb.hinet.net/
Jian - Maße
-
Bei Angabe der Länge wird zwischen Klingenlänge (Spitze bis Griff) und der Gesamtlänge unterschieden. Historische Einhand Schwerter haben Klingenlängen von ca. 45 bis 80cm und eine Gesamtlänge von ca. 65 bis 100cm.
-
Das Gewicht eines üblichen Stahlschwertes (abhängig von der Länge) lag bei etwa (450g) ab 700g (wenige bis 900g).
-
Die Balance spielt für die Handhabung des Schwertes eine wichtige Rolle. Liegt der Schwerpunkt zu nahe an der Spitze, ist der Gebrauch ermüdend. Liegt der Schwerpunkt zu nahe am Griff, kann die notwendige Wucht oder Stoßkraft nicht erzeugt werden und das Schwert ist auch leichter wegzudrücken.
Der Balancepunkt (Schwerpunkt) wird als Abstand vom Punkt Ende Griff / Beginn Parierstange aus gemessen und beträgt bei historischen Schwertern ca. zwischen 12 und 15cm.
Bei Schwertkampfstilen mit Betonung auf das Stoßen liegt der Balancepunkt mehr zum Griff hin. Bei Stilen mit hauptsächlicher Anwendung von Schlagen und Schneiden ist der Abstand zum Griff größer. Letztlich kann nur der Schwertkämpfer selbst entscheiden, welche Balance die Richtige für ihn ist.
Gim - nach einem traditionellen Schwert ca. 200 v.u.Z.
© Kris Cutlery www.kriscutlery.com
Jian - Bestandteile
-
Der Knauf hält Griff und Klinge zusammen, dient als Gegengewicht und verhindert das Abrutschen der Hand. Der Knauf kann auch zum Stoßen, Stechen oder Schlagen verwendet werden. Zusätzlicher Druck kann beim Stoßen mit der Hand am Knauf erzeugt werden. Eine Kordel mit Quaste findet man bei historischen Kampfschwertern (Wujian) nicht. Die Kordeln und Quasten stammen allesamt aus der Wenjian- (Gelehrten-Schwerter), der Schwerttanz-Tradition, während die Kampfschwerter manchmal eine Lederschlinge am Knauf befestigt hatten, womit man ein totales Verlieren der Waffe im Gefecht vermeiden wollte. Bei representativen Schwertern dienten Kordel und Quaste zur Dekoration.
-
Am Griff wird das Schwert beim Einhänder mit der Hand gehalten. Er sollte gut in der Hand liegen und sich leicht führen lassen.
-
Anders als bei europäischen Schwertern ist der Handschutz (Parierstange) wenig entwickelt. Er verhindert hauptsächlich, daß die eigene Hand auf die Klinge rutscht. Funktionen des Handschutzes wie Abfangen und Blockieren der gegnerischen Klinge, Schutz der Hand beim Aufprall auf einen Schild, oder Würgen und Hebeln spielen bei der chinesischen Schwerttechnik eine geringere Rolle.
-
Die gerade zweischneidige Klinge kann, nach Schärfegrad, Klingendicke und der angewandten Technik, in drei Sektionen unterteilt werden. Die stumpfere dickere untere Sektion (Forte, Ricasso, Fehlschärfe oder auch Ansatz genannt) dient zum Parieren und Aufnehmen von gegnerischen Schwertschlägen. Die etwas schärfere Klinge der mittleren Sektion wird zum Schneiden bei offensiven und defensiven Techniken verwendet. Die sehr scharfe und dünne Klingenspitze wird bei schnellen kurzen Schnitten, Stichen und Stößen eingesetzt. Die Länge der einzelnen Sektionen kann variieren.
-
Manchmal hört man bei Gesprächen über Schwerter den Begriff "Blutrinne". Meist ist damit die Hohlkehle (längliche Vertiefung in der Klingenmitte) gemeint, welche zur Gewichtsreduzierung und Stabilisierung der Klinge diente. Alle anderen Verwendungen (Blutablauf, etc.) sind blanker Unsinn (Laible, 2006, S. 23).
Die fliessenden kreisförmigen Bewegungen des Jian werden durch die Gestaltung des Schwertgriffes und der Art der Handhaltung unterstützt.
Der ovale Griff wird hauptsächlich durch Mittel-, Ringfinger und Daumen (siehe Abb. links) flexibel und doch fest gehalten.
Jian - nach einer historischen Vorlage aus der Qing Dynastie
© Huanuo Sword Art www.huanuosword.com
Jian - Klinge
Nach der Verwendung von Kupfer-Zinn Legierungen, Bronze und Eisen wurden in der Han Dynastie (25 - 220 n. Chr.) erste Schwerter aus Stahl hergestellt. "Als Stahl werden metallische Legierungen bezeichnet, deren Hauptbestandteil Eisen ist und deren Kohlenstoffgehalt zwischen 0,002 % und 2,06 % liegt". "Stahl ist im Gegensatz zu Eisen härtbar. Dafür ist im Metall ein Kohlenstoffanteil von mindestens 0,35 Prozent nötig. Für ein brauchbares Schwert geht man von einem Minimum von 0,5 Prozent aus. Um diesen Anteil zu erreichen, muss das Roh-Eisen aufgekohlt werden" (Laible, 2006, S. 135). Hoher Kohlenstoffgehalt gibt dem Klingenstahl die nötige Härte und Schärfe zum Schneiden, macht ihn aber spröde und brüchig. Geringer Kohlenstoffgehalt lässt den Stahl weich und biegsam werden. Durch die Kombination von Lagen aus Stahl mit unterschiedlichen Kohlenstoffgehalten konnte eine harte und gleichzeitig federnde Klinge gefertigt werden. Meist wurde die Sanmei-Konstruktion aus 3 verschiedenen Lagen Stahl (siehe Grafik unten) verwendet. Durch diese Konstruktion und der damaligen Schmiedekunst konnten scharfe und belastbare Klingen hergestellt werden.
Bei Schwertern aus der Han, Ming und Qin Zeit meist ca. 0,7-0,8% Kohlenstoffanteil der mittleren Lage und bei den Seitenlagen Schichten mit 0,4% und 0,6-0,7% Kohlenstoffanteil.
Die Gestaltung und Konstruktion einer Waffe bestimmen die Art und Weise ihrer Verwendung. Das relativ leichte, zweischneidige chinesische Schwert mit seiner scharfen, aber auch bruchgefährdeten Spitze, lässt auf eher schnelle, sensible und präzise Schnitt-, Stich und Abwehrtechniken schliessen, die ein hohes Können erfordern. Dies erklärt auch, warum im militärischen Kampf gegen gerüstete Soldaten, das Schwert durch den einfacher zu handhabenden schweren Säbel (Dao) ersetzt wurde.
Quellen
-
"Die chinesische Kampfkunst" von Kai Filipiak ISBN 3-935693-23-0
-
"The four Mother Technigues of the Chinese Double Edged Straight Sword" von Yan Gaofei
Martial World Magazine Vol. 3 in IMAR Juni 1997
(Übersetzt und bearbeitet von Michael Ditsch, 2006) -
Korrespondenz mit Dr. Hermann Bohn, Bohn-Wu International Trading Co.
-
Wikipedia Jian - en.wikipedia.org/wiki/Jian
-
Sword Forum International - Beiträge von Scott M. Rodell
-
Great River Taoist Center Swordsmanship Forum - Beiträge von Scott M. Rodell u. Peter Dekker
-
"Chinese Swordsmanship" von Scott M. Rodell, 2005 ISBN 0-9743999-4-9
-
"Schwerter Degen Dolche - Kulturgeschichte der Blankwaffen", 1994
Kapitel 13 - China und Zentralasien, ISBN 3-89350-817-1 -
"Das Schwert" von Thomas Laible, 2006 ISBN 978-3-938711-05-7











