top of page

 

Entstehung der 5 Familienstile

Verlässlich lässt sich die Geschichte des Taijiquan bis etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals schrieb General Qi Jiguang (chinesisch 戚繼光 / 戚继光, Pinyin Qī Jìguāng, 1528−1588) das Buch Jixiao Xinshu (chinesisch 紀效新書). In diesem Buch beschreibt er einen von ihm neu entwickelten Kampfkunststil, dessen Techniken er aus den seiner Meinung nach besten Kampfkünsten zusammenstellte. Obwohl darin kein Taijiquan erwähnt wurde, beschreibt das Buch dennoch zahlreiche Techniken, die heute noch im Chen-Stil des Taijiquan zu finden sind. Deswegen sehen einige Historiker im Taijiquan einen direkten Nachfolger von Qi Jiguangs Stil.

Mitte des 17. Jahrhunderts tauchte im Dorf Chenjiagou (chinesisch 陳家溝) ein Boxstil auf, der heute als der Chen-Stil des Taijiquan bekannt ist. Der Überlieferung der Familie Chen zufolge wurde der Stil von General Chen Wangting (chinesisch 陈王庭, 1600−1680) aus seinen bestehenden Kenntnissen der Kampfkünste entwickelt. Wie weit Chen seinen Stil auf dem Stil von Qi Juguang aufbaute, und ob der Wudang-Mönch Wang Zongyue (chinesisch 王宗岳) eine Rolle bei der Schaffung des Stils gespielt hat, beziehungsweise ob es ihn überhaupt gegeben hat, ist historisch nicht klar belegt

Fest steht, dass der Stil seit dieser Zeit zunächst als Familiengeheimnis der Familie Chen weiterentwickelt und tradiert wurde. Das Taijiquan der Chen-Familie wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals an einen Außenstehenden weitergegeben. Chen Changxing (chinesisch 陳長興, Pinyin Chén Chángxīng, 1771–1853) akzeptierte Yang Luchan (chinesisch 楊露禪 / 杨露禅, W.-G. Yang Lu-ch’an, 1799–1872) als Schüler im inneren Kreis der Familie. Yang Luchan entwickelte das Gelernte weiter und wurde zum Begründer des Yang-Stils. Etwas später unterrichtete Chen Qingping (chinesisch 陳清苹, W.-G. Ch’en Ch’ing-p’ing, 1795–1868) ebenfalls außerhalb der Familie Wu Yuxiang (chinesisch 武禹襄, 1812–1880), den Begründer des Wu/Hao-Stils.

So wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Grundlage für die sogenannten fünf Familienstile gelegt, die jeweils innerhalb einer Familie weiterentwickelt und gepflegt wurden. Der Meister gab seinen Stil vollständig nur an seine Söhne weiter, so dass das Oberhaupt eines Taijiquan-Stiles gleichzeitig das Familienoberhaupt war. Zwischen den verschiedenen Familien gab es besonders zur Gründungszeit intensiven Austausch. Die fünf

 

Familienstile sind:

  • Chen-Stil (陈式, Pinyin Chénshì) In den Formen (套路, Pinyin tàolù) und Schulen des Chen-Stils werden die Traditionslinien „kleiner Rahmen“ (小架, Pinyin Xiǎojià) nach Chen Youben (陈有本) (1780-1858) und „großer Rahmen“ (大架, Pinyin Dàjià) nach Chen Changxing (陈长兴) (1771-1853) unterschieden. Hinzu kommt seit etwa 1976 im „großen Rahmen“ die Unterscheidung von „altem Rahmen“ (老架, Pinyin Lǎojià) nach Chen Zhaopi (陈照丕) (1893-1972) und „neuem Rahmen“ (新架, Pinyin Xīnjià) nach Chen Fake (陈发科) (1887-1957) und Chen Zhaokui (陈照奎) (1928-1981)

  • Yang-Stil (chinesisch 楊式, Pinyin yángshì) nach Yang Luchan; im „großen Rahmen“ nach Yang Chengfu (chinesisch 楊澄甫 / 杨澄甫, Pinyin Yáng Chéngfǔ, W.-G. Yang Ch’eng-fu, 1883–1936) oder im „kleinen Rahmen“ nach Yang Banhou (chinesisch 楊班侯 / 杨班侯, Pinyin Yáng Bānhóu, W.-G. Yang Pan-hou) 1837–1892)

  • Wu/Hao-Stil (chinesisch 武(/郝)式, Pinyin wǔ(/hǎo)shì) nach Wu Yuxiang (chinesisch 武禹襄, W.-G. Wu Yu-hsiang, 1812–1880)

  • Wu-Stil (chinesisch 吳式, Pinyin wúshì) nach Wu Quanyou (chinesisch 吳全佑 / 吴全佑, Pinyin Wú Quányòu, W.-G. Wu Ch’uan-yu, 1834–1902) und seinem Sohn Wu Jianquan (chinesisch 吳鑑泉 / 吴鉴泉, Pinyin Wú Jiànquán, W.-G. Wu Chien-ch’üan, 1870–1942)

  • Sun-Stil (chinesisch 孫式) nach Sun Lutang (chinesisch 孫祿堂, Pinyin Sūn Lùtáng, W.-G. Sun Lu-t’ang, 1861–1932)

Zu beachten ist, dass das „Wu“ in „Wu Yuxiang“ ein anderes Schriftzeichen ist als in „Wu Jianquan“ – es handelt sich also um verschiedene Familien. Da das Taijiquan mittlerweile nicht mehr nur im Kreis der Familie weitergegeben wird, kann man heute nicht mehr aus dem Namen eines Meisters auf seinen Stil zurückschließen.

Copyright by Wolf Notthoff

bottom of page